Altona unter Wasser Ð Ein Projekt des KunstTigers

21. Dezember 2007

 

AutorInnen:
Barbara Seithe, Jan Heidtmann, Imke Prochazka
SpielTiger e. V.

 

 

 

ãDer junge Mensch braucht seinesgleichen Ð nŠmlich Tiere, Elementares, Wasser, Dreck, GebŸsche.Ò Alexander Mitscherlich

 

 

ãAuf dem Meeresgrund, da blŸhen keine Rosen ...Ò Freddy Quinn

 

 

            Einleitung

1          Ziele

2          Der Ort Ð Ein verwahrloster Park

3          Die Zielgruppe Ð Jungen und MŠdchen aus Altona

4          Projektablauf

5          Methoden

6          Die PrŠsentation Ð ãMobil fŸr KinderfreundlichkeitÒ des DKHW

7          Ergebnisse

8          Finanzierung und Leitung des Projektes

9          Ausblick

10        Danke!

 

 

 

 

 

Einleitung

 

ãAltona unter WasserÒ war der treffende Arbeitstitel eines einwšchigen Projektes des KunstTigers im verregneten Juni 2007 im GrŸnzug Altona-Altstadt. 200 Jungen und MŠdchen, Eltern, LehrerInnen und ErzieherInnen trotzten dem widrigen Wetter und erschufen Kunst im šffentlichen Raum. Im Rahmen der Veranstaltung ãMobil fŸr KinderfreundlichkeitÒ des Deutschen Kinderhilfswerks prŠsentierten Kinder am 3. Juli ihr gemeinsam geschaffenes Kunstwerk. Auf einer Diskussionsveranstaltung stellten sich Politiker aus dem Stadtteil  den Fragen der Kinder.

Die Leitung des Projektes hatten Barbara Seithe und Volker Lettkemann inne.

 

 

1          Ziele

 

Ziel des Projektes war, dass Jungen und MŠdchen mit Spa§ und Fantasie den šffentlichen Raum, einen verwahrlosten Park, erobern. Damit beteiligte sich der KunstTiger an dem Projekt ãLebenswerte StadtÒ der Freien und Hansestadt Hamburg. Kinder und Eltern erhielten die Mšglichkeit, zu bauen und zu gestalten. Unter der Anleitung von Kunst- und SpielpŠdagogInnen erschafften und installierten sie Kunstwerke und verwandelten so den Park vorŸbergehend in einen Kunstraum.

Zum Abschluss wurde das ãGesamtkunstwerkÒ der …ffentlichkeit auf einem Fest prŠsentiert. Auf einer parallel stattfindenden Diskussionsveranstaltung konnten Jungen und MŠdchen aus dem Stadtteil ihre BedŸrfnisse lokalen PolitikerInnen und EntscheidungstrŠgerInnen mitteilen. Damit wurde das Ziel verfolgt, Kindern und Jugendlichen eine Lobby zu verschaffen.

Ein weiteres Ziel war, durch die Auseinandersetzung mit Kunst und der Vermittlung von Šsthetischer Bildung, einen Beitrag zur Entwicklung der Kompetenzen der Kinder zu leisten. Gerade die kulturelle Bildung ist fŸr die Lebensperspektive von Jungen und MŠdchen in Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf von entscheidender Bedeutung. So kann eine nachhaltige, positive Identifikation mit ihrem Lebensraum erreicht werden.

 

 

2          Der Ort Ð Ein verwahrloster Park

 

Altona-Altstadt ist gro§artig! Hier ist fast alles zu finden, was einen lebenswerten Stadtteil ausmacht: Parks, Wasser und schšne PlŠtze. Es gibt gewachsene Wohnviertel, eine Vielfalt an Kulturen und eine lebendige Geschichte. Altona-Altstadt ist aber auch ein Stadtteil mit sogenanntem Erneuerungsbedarf. Der Stadtteil ist eng bebaut, die Stra§en sind voller Autos und Dreck.

Der Park an der GŠhlerstra§e, mitten im sogenannten GrŸnzug Altona-Altstadt, ein Park zentral gelegen in Altona war auserkoren, fŸr eine Woche zum Kunstraum zu werden. Gro§e BŠume, ein Spielplatz und eine gro§e RasenflŠche sind Bestandteil dieses innerstŠdtischen Parks.

Ganz bewusst wurde der Park ausgewŠhlt: Dieser Park, in dem frŸher das Leben tobte, der Treffpunkt und ein beliebter Spielplatz fŸr jung und alt war, wird heute als Hundeklo genutzt. Die Wiese: Voller Hundehaufen und Glassplitter. Der Spielplatz: Die SpielgerŠte kaputt und der Platz verdreckt. LŠngst spielen hier keine Kinder mehr. Dabei sind um den Park herum Kindertagesheime, Schulen und HochhŠuser voll mit Kindern.

Der Raum, in dem Altona unter Wasser im Park stattfand, war ein umzŠunter Spielplatz mit einer maroden HolzhŸtte, einem ehemaligen Spielhaus, das kurz vor dem Abriss stand.

 

 

3          Die Zielgruppe Ð Jungen und MŠdchen aus Altona

 

In Altona wohnen viele Familien. In diesem innerstŠdtischen Viertel, das frŸher ein  Arbeiterviertel war, leben heute viele Kinder mit Migrationshintergrund. Das Einkommen der Familien ist niedriger als im Hamburger Durchschnitt. Die Jungen und MŠdchen haben wenig Raum zum Spielen. Verbliebene RŠume werden bebaut. Viele Familien, die es sich leisten kšnnen, ziehen weg.

Die Kinder, die hier leben, sind lebendig und offen fŸr Neues. Sie sind neugierig und freuen sich, wenn sie gemeinsam mit anderen aktiv werden kšnnen. Wenn sie die Gelegenheit haben, etwas zu machen, dann sind sie dabei. Sie sind sehr mobil und selbstŠndig im Quartier unterwegs. Diese Erfahrungen hatten wir bereits in vorhergehenden Beteiligungsprojekten im Stadtteil gemacht.

Die Strukturen vor Ort waren uns bekannt, so dass wir mit der Ansprache an die zu beteiligenden Jungen und MŠdchen keine Probleme hatten. In den umliegenden drei Grundschulen und mehreren Kindertagesheimeinrichtungen wurde im Vorwege Ÿber die Kunstwoche informiert. Innerhalb weniger Tage hatten Schulklassen und Kita-Gruppen die Gelegenheit genutzt und sich angemeldet. Insgesamt haben an die 200 Kinder im Alter von drei bis 14 Jahren mit ihren BetreuerInnen, Eltern und LehrerInnen teilgenommen.

 

 

4          Projektablauf

 

In der Woche kamen vormittags und nachmittags die Gruppen fŸr mehrere Stunden in den Park. Dazu stie§en Jungen, MŠdchen und Eltern, die zufŠllig vorbei kamen. Am Wochenende beteiligten sich Kinder und Erwachsene, die auch schon die Tage vorher dabei gewesen waren.

 

 

4.1       Die Herangehensweise

 

Jede Gruppe wurde am Eingang zum Spielplatz von Barbara Seithe und Volker Lettkemann empfangen und spielerisch in die Situation eingefŸhrt:

ãAlles steht hier unter Wasser, Altona unter Wasser. Hinten am Baum, da seht ihr, wie hoch das Wasser hier in Altona schon steht. In der HŸtte hockt ein Fisch mit Beinen Ð die erste Mutation zwischen Land und Wasser.Ò

 

Je nach Gruppe tauchten unterschiedliche Fragen auf. Im Vordergrund stand: Wie wird mit dieser Situation umgegangen? Das weitere Geschehen wurde dann improvisiert.

 

 

4.2       Das Material

 

Die Kinder sollten bauen, gestalten und erschaffen kšnnen. Dazu bedurfte es an Materialien, welche die Fantasie anregen. Diese Materialien wiederum bewirkten, dass Ideen entworfen wurden und das kommunikative Miteinander gefšrdert wurde. Oder der Dialog mit dem Material wurde entwickelt. Dazu benštigten die Schaffenden neben einer Grundausstattung aber auch Dinge, die ãandersÒ sind, die neugierig machen.

Neben der Grundausstattung an Werkzeug, Pinseln, Farben, Stiften und Papier stand ein Ÿbersichtliches Angebot an Materialien zur VerfŸgung. Und es gab eine Vielzahl an Verbindungsmšglichkeiten fŸr die Materialien: KlebebŠnder, Draht, Malerkrepp, Schrauben, NŠgel etc.

Das Material fŸr das Unterwasserleben (ãAltona unter WasserÒ) waren blaue, drei Meter breite Dachfolien (50m-Rolle), Teichfolien, blaue MŸllbeutel, Hartschaumplatten, Holzlatten und Hasendraht.

Zur weiteren VerfŸgung standen verschiedene Dinge, die Assoziationen wecken sollten, wie zum Beispiel ãzum TauchenÒ Schwei§erbrillen, ein gebogenes Ofenrohr und Šhnliches.

 

 

5          Methoden

 

Durch den spielerischen und gestalterischen Prozess auf dem GelŠnde wurde der Raum verwandelt.

Es waren viele Gruppen vor Ort, die eine intensive gemeinsame Zeit mit vielen  schšnen Momenten erlebten. Allen gemeinsam war: Wenn sie gingen, dann hinterlie§en sie Spuren. Eine neue Gruppe erschien und wunderte sich Ÿber die Relikte aus den vergangenen Unterwasserzeiten. Die Kinder konnten alleine aber auch gemeinsam Kunst erschaffen und im Austausch mit den KŸnstlerInnen Kenntnisse zu speziellen Techniken und Artistiken vertiefen. Die breite Angebotspalette sprach Kleine und Gro§e gleicherma§en an. Der kreative Rahmen lie§ viel Raum zur Entfaltung. Die Kunst wurde spielerisch mit allen Sinnen entdeckt.

Anregungsreich waren die zur VerfŸgung gestellten Materialien, wie Farbe, Papier, Plastikfolie, Sand und Draht und die Natur mit Wind und Wasser. Wichtig war neben der Fšrderung der KreativitŠt der Spa§, wodurch die Jungen und MŠdchen hoch motiviert wurden.

Die Verwandlung des Raumes war nicht immer unbedingt fŸr alle sichtbar: Kinder nahmen ihre gestalteten Funde ãmit an LandÒ,  neue Kindergruppen wussten nichts von den anderen Gruppen. Doch Ÿber die Tage entstand eine gewisse AtmosphŠre, die sich auf die AkteurInnen Ÿbertrug. Und: Es regnete auch viel (!) und zum GlŸck zur rechten Zeit in diesem Hamburger Sommer 2007. So wurde das Motto Altona unter Wasser unbeabsichtigt mit Leben gefŸllt.

 

 

6          Die PrŠsentation Ð Mobil fŸr Kinderfreundlichkeit des DKHW

 

Zum Abschluss des Projektes sollte das ãGesamtkunstwerkÒ der …ffentlichkeit prŠsentiert werden. DafŸr konnten wir das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) gewinnen, uns zu unterstŸtzen.

Im Rahmen der bundesweiten Veranstaltung ãMobil fŸr KinderfreundlichkeitÒ des DKHW prŠsentierten Kinder am 3. Juli ihr gemeinsam geschaffenes Kunstwerk. Auf einer Diskussionsveranstaltung stellten sich PolitikerInnen aus dem Stadtteil  den Fragen der Kinder.

Zahlreiche Eltern und Kinder sowie Frau ErgŸn vom Amt fŸr Jugend Hamburg, Herr Fršmming von der Kulturbehšrde, Frau KŠmpfert von der CDU Altona, Frau Zeiss und Herr Strate von der SPD Altona waren unserer Einladung gefolgt und hatten den Weg in den Park gefunden.

Verbindend wirkte dieser letzte Tag, an dem auch viele Kinder noch einmal vorbei kamen, die an den vorigen Tagen dabei waren. Mittlerweile war alles sehr b l a u .  Die HŸtte hatte ein Bullauge zum Durchschauen bekommen Ð dort schwammen auf einem Monitor die Bilder von Altona unter Wasser  vorbei.

Zwei MŠdchen Ÿbernahmen den Auftrag, um den momentanen des Kunstprojektes zu prŠsentieren. Auf einem Rundgang erklŠrten sie den GŠsten, was im Laufe der Woche geschehen war. Auf der abschlie§enden Podiumsdiskussion mussten sich dann die EntscheidungstrŠgerInnen aus Verwaltung und Politik den Fragen der Kinder stellen.

Schnell waren die MŠdchen und Jungen dabei, die Erwachsenen zu ihren Themen mit Fragen zu lšchern. Dabei trat das Thema Altona unter Wasser zunehmend in den Hintergrund und aktuelle Themen aus der Lebenswelt der Kinder beherrschten die Diskussion.

Gewalt und Hundedreck im Park Ð das waren die dominierenden Anliegen, die die MŠdchen und Jungen beschŠftigen. Die Erwachsenen versuchten Antworten zu geben. Es entwickelte sich ein Dialog, in dem die Interessen der Kinder ernst genommen wurden. Wir werden sehen, ob sich etwas Šndern wird.

 

Vom DKHW wurde die Veranstaltung auf einer DVD festgehalten.

 

 

7          Ergebnisse

 

Vielfalt! Jede Gruppe war anders. Eine zweite Klasse der Theodor-Haubach-Schule schaffte drei Stunden gemeinsam neue Welten. ãSo haben wir unsere Klasse noch nie erlebtÒ staunten die LehrerInnen, wŠhrend sich ãDie KoboldeÒ mit ihren drei Jahren im Durchschnitt einfach die meiste Zeit planschend ãunter WasserÒ befanden. Kein Mucks war zu hšren und das Element Wasser stand im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit.

†ber die Woche kamen auch viele Kinder aus der Nachbarschaft mit ihren Eltern. StŠndig verwandelte sich der Raum und die Situation. Und immer wieder tauchten besondere Stimmungen und Momente auf.

Die Kindergruppen wollten nach einer erlebnisreichen EinfŸhrung ihre Ideen mit Farbe, Pinsel, Stoffen, Draht et cetera in eigene Arbeiten umsetzen. Das vorgehaltene Angebot war kindgerecht. Der Zeitrahmen bot den Kindern und Jugendlichen genŸgend Zeit, sich auf das Angebot zu konzentrieren. Es konnten im Wechsel Gemeinschafts- und Einzelarbeiten entstehen.

Eine PrŠsentation am Ende des Projektes war gut. Dadurch wurden die Ergebnisse gewŸrdigt, die Leistungen der Kinder wurden anerkannt, sie erhielten eine positive RŸckmeldung, wodurch ihr Selbstbewusstsein gestŠrkt wurde. In der Diskussionsveranstaltung wurde den Jungen und MŠdchen Gehšr verschafft und in der Diskussion wurden ihre Anliegen und Sichtweisen ernst genommen. Dadurch kšnnen Kinder motiviert werden, sich auch zukŸnftig zu engagieren.

 

 

8          Finanzierung und Leitung des Projektes

 

Die kunstpŠdagogische Leitung hatten Barbara Seithe (Erziehungswissenschaftlerin M.A.) und Volker Lettkemann (Dipl. bildender KŸnstler) inne. Beide sind seit Jahren freie MitarbeiterInnen beim SpielTiger e.V. In zahlreichen Kunstprojekten mit dem Schwerpunkt bildnerisch improvisierte Austausche im realen, sozialen und poetischen RŠumen haben sie sich speziell dem Thema Kunst im šffentlichen Raum gewidmet.

Beteiligt am Kunstprojekt waren weiterhin drei freie MitarbeiterInnen des SpielTiger e.V., die aus den Bereichen Medien- sowie Spiel und SportpŠdagogik kommen.

An der PrŠsentation am 3. Juli waren das Stadtteilmobil und der Vorstand des Vereins beteiligt.

Finanziert wurde Altona unter Wasser aus Mitteln des SpielTiger e.V. und aus einer Fšrderung des Projektes ãLebenswerte Stadt HamburgÒ der Freien und Hansestadt Hamburg.

 

 

9          Ausblick

 

Das Projekt hat uns bestŠrkt, dass spielerische Kunstprojekte von gro§er Bedeutung fŸr Kinder und Jugendliche sind. Die Auseinandersetzung mit Kunst im šffentlichen Raum ist fŸr Kinder ein spannendes Thema. In einer Ÿberschaubaren Projektform lassen sich gezielte Impulse setzen, wodurch die Anliegen und BedŸrfnisse von Jungen und MŠdchen in den šffentlichen Fokus getragen werden kšnnen. Der Schwerpunkt wird dabei auch in Zukunft fŸr uns im praktischen Arbeiten liegen.

In Praxisprojekten mit Gruppen kšnnen die kreativen und produktiven KrŠfte der Kinder unterstŸtzt und gefšrdert werden. Jeder Mitwirkende, egal ob gro§ oder klein, leistet einen Beitrag und indem der KunstTiger es zu einem ãGesamtkunstwerkÒ zusammenfŸgt, bekommt das Ganze dann etwas Besonderes, mit dem sich alle identifizieren kšnnen.

 

 

10        Danke!

 

Wir mšchten uns ganz herzlich bei den Kindern und BetreuerInnen der Schulen Chemnitzstra§e und Theodor-Haubach-Schule, den Kindertagesheimen Zeiseweg, Hospitalstra§e, Maimouna und Scheplerstra§e, der Kindertagesgruppe die Kobolde und dem Projekt Lesen in Altona fŸr die tatkrŠftige UnterstŸtzung bedanken.

Vielen Dank auch an die Freie und Hansestadt Hamburg mit ihrem Projekt ãLebenswerte StadtÒ, die dieses Kunstprojekt gefšrdert hat.

Wir haben uns sehr Ÿber die UnterstŸtzung des Deutschen Kinderhilfswerks (DKHW) gefreut und mšchten uns hiermit noch einmal bei Frau ErgŸn (Amt fŸr Familie Hamburg), Herrn Fršmming (Kulturbehšrde), Frau KŠmpfert von der CDU, Herrn Kuhfuss von der GAL, Frau Zeiss und Herrn Strate von der SPD Altona bedanken, dass sie unserer Einladung gefolgt waren und sich den Fragen der Jungen und MŠdchen gestellt haben.

 

Die Veranstaltung ist auf einer DVD des DKHW festgehalten worden und kann beim SpielTiger e.V. bezogen werden.

 

 






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